Montag, 19. Januar 2015

Offener Brief an Andreas Thenhaus​ und den WDR​ bzgl. des Interviews mit Joost Hillermann unter dem Titel "Wo Deutschlands Waffen wirklich landen" für die Sendung Monitor

Offener Brief an +Andreas Thenhaus​ und den +WDR.de​ bzgl. des Interviews mit Joost Hillermann unter dem Titel "Wo Deutschlands Waffen wirklich landen" für die Sendung Monitor(http://www1.wdr.de/daserste/monitor/extras/interviewhiltermann100.html)


Sehr geehrter Herr Thenhaus,
Sehr geehrtes WDR-Team,

am 15.01.2015 veröffentlichten sie auf ihrer Homepages ein Interview mit Joost Hillermann von der International Crisis Group.
Ihr Interviewpartner kritisiert darin die deutschen Waffenlieferungen an die Peshmerga-Armee der kurdischen Autonomieregion im Nordirak (Südkurdistan) scharf. Seine Kritik baut er auf nachstehenden Thesen auf, die bei genauerer Betrachtung mehr den Charakter von Hypothesen besitzen.

1.) Es könnte nach einem etwaigen Sieg über den gemeinsamen Feind IS zu einem Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen kurdischen Parteien kommen, denen jew. verschieden Peshmerga-Bataillone unterstehen.
2.) Die Waffen könnten gegen die Zentralregierung in Bagdad gerichtet werden.
3.) Die Kurden könnten versuchen Gebiete außerhalb ihrer Autonomie, in denen lt. Herrn Hillermann verfeindete Völker lebten, zu annektieren.


Darauf möchte ich wie folgt antworten:

zu 1.) Wenn es die Absicht einer der kurdischen Parteien wäre, einen Krieg um die Vorherrschaft zu entfesseln, dann hätte sie das vor Erstarken des IS längst tun können. Die Peshmerga blicken streng genommen auf eine 135 jährige Tradition zurück.
In ihrer heutigen Beschaffenheit existieren sie seit 2007. Um gegeneinander zu kämpfen, hätte die Bewaffnung vor der internationalen Unterstützung bereits ausgereicht. Des Weiteren wurden im August 2014 Reformen auf den Weg gebracht, die Truppen unter einheitliches Kommando zu stellen, deren endgültige Umsetzung dem Planspiel Hillermanns die Grundlage nehmen würde.
Dieses Argument ist eine Hypothese, deren Wahrscheinlichkeit gegen Null strebt.

zu 2.) Das militärische Gerät, das an die kurdischen Peshmerga geliefert wird, sind Milan-Panzerabwehrraketen, Standardgewehre wie das G36, Handgranaten sowie andere Defensivgerätschaften wie kugelsichere Westen oder Nachtsichtgeräte. Einen Angriffskrieg gegen eine Armee, die wie die irakische über eine eigene Luftwaffe sowie moderne T-72-Kampfpanzer verfügt, ist damit nicht möglich.
Ganz davon abgesehen ist das weitaus größere Problem der Zentralregierung in Bagdad der Kampf zwischen der vom Iran unterstützt und bewaffneten, aktuell schiitischen Regierung gegen die von den Golfstaaten, also indirekt auch aus Deutschland, unterstüzt und bewaffnete sunnitische Opposition. Die These von einem Angriff der Kurden aus dem Norden ist, entschuldigen Sie bitte die Wortwahl, Nonsens!
Auch dieses Argument ist eine Hypothese, deren Wahrscheinlichkeit gegen Null strebt.

zu 3.) Hillermann unterstellt eine Feindschaft zwischen den irakischen Kurden und z.B. den Einwohnern der an die kurdische Autonomieregion angrenzenden Stadt Mossul. Interessant, dass ausgerechnet aus Mossul und Umland zehntausende assyrisch-aramäische Christen und schiitische Turkmenen vor dem IS in die kurdische Autonomieregion geflüchtet sind, und die dortigen Strukturen als sicherer und stabiler als im Rest des Iraks erachten.
Dieses Argument nun ist eine regelrechte Unterstellung.


Allgemein möchte ich hinzufügen

Irak und Syrien sind künstliche entlang von Kolonialgrenzen entstandene Gebilde, in denen Regime immer wieder haarsträubende Menschenrechtsverletzungen begangen haben, und die Kurden sind ein 40 Millionen Volk, das dringend einen eigenen Staat verdient hat.
Wie kann man dann sonst ein unabhängiges Kosovo (2 Mio Einwohner) oder gar Montenegro (600.000 Einwohner) rechtfertigen?
Das Sykes-Picot Abkommen, auf dessen Beschlüssen, die Grenzen der Staaten Irak und Syrien gezogen wurden, hatte nun beinahe neun Jahrzehnte Bewährungschance. Durch Massaker wie in Halabdscha und ständig wechselnde Diktatoren, muss man endlich erkennen, dass diese Grenzziehung ausgedient hat.
Die Waffenlieferungen an die Peshmerga haben zur Befreiung des Sindschar-Gebirges beigetragen und einen Völkermord an den Yezidin dort mitverhindert. Das erwähnt der Interviewpartner nicht, und äußert stattdessen Bedenken gegenüber angeblichen Menschenrechtsverletzungen seitens der Peshmerga an IS-Kämpfern, also ausgerechnet denjenigen, die diesen Genozid ausführen wollten.
Das und einige wage begründete hypothetische Voraussagen und Unterstellungen sind seine einzigen Argumente.
Darüber hinaus sind seine Ausführungen aus politikwissenschaftlich-analytischer sowie militärischer Sicht mehr als fragwürdig bis falsch.

Ich verbleibe mit der Bitte um Zurkenntnisnahme dieser Gegendarstellung und mit freundlichen Grüßen,

Julian Tumasewitsch W.

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